Wirtschaftsspiegel Thüringen - Ausgabe 4/15 - page 7

Automotive
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Foto: MITEC
genden „financial stress“ zu begegnen.
Seit der aggressiven Einkaufspolitik des
Herrn Lopez (früherer Chef-Einkäufer
bei VW, d. Red.) hat die Partnerschaft
gelitten. Es geht den OEMs offenbar nur
um den kurzfristigen Erfolg. Nachdem
die Zulieferer alle Informationen trans-
parent gemacht haben, müssen sie sich
durch den OEM vorrechnen lassen, dass
das Produkt nur Summe X kosten dürfe,
denn schließlich bekäme man dieses
Produkt in Polen, China und den USA
günstiger als zum gesetzten Zielpreis.
Ich möchte meinem Vortrag auf dem
Branchentag hier nicht vorgreifen, denn
ich könnte die Reihe der Forderungen,
die der Zulieferer heute zu bewältigen
hat, beliebig ergänzen. Wir sind der glä-
serne Patient, ohne Frage.
Nun gehören dazu ja immer zwei
Parteien: eine, die es tut und eine, die
es mit sich machen lässt. Welche
Chancen haben die Thüringer Zulie-
ferfirmen, sich gegen die Forderungen
der OEMs zur Wehr zu setzen? Oder
anders gefragt: Fehlt es den oftmals
kleinen und mittleren Firmen in Thü-
ringen an Rückgrat in der Auseinan-
dersetzung mit den Herstellern?
Nur wenige Zulieferer können sich weh-
ren. Nur Zulieferer, die ein spezielles
Know-how in ihre Produkte haben ein-
fließen lassen, haben die Chance, sich
der einen oder anderen Forderung zu
entziehen. Nur wenn sie kurz- oder mit-
telfristig nicht ersetzt werden können,
haben sie eine Verhandlungschance.
Wir kennen Zulieferer, die alle geforder-
ten Vertragsbedingungen unterzeich-
nen, weil sie wissen, dass im Falle eines
Regresses durch den Endkunden das
Unternehmen nicht mehr existieren
wird, nur um Anschlussaufträge zu er-
halten. Es ist also nicht eine Frage des
Rückgrates, sondern eine Frage der
Überlebenswahrscheinlichkeit des Mit-
222 Millionen Euro ausgemacht hätte.
Wir haben in der Automobilindustrie
den Verband VDA unter Führung von
Matthias Wissmann. Um solche Ma-
chenschaften zu vermeiden, wäre es
doch ein Gedanke, diese Firmen aus
dem Verband auszuschließen. Im AT
unter meiner Führung würde ich in ei-
nem solchen Fall dem Vorstand den
Ausschluss der Firmen empfehlen oder
aber mein Amt niederlegen. Im öffent-
lichen Bereich werden solche Firmen
auf die rote Liste gesetzt. Beim VDA und
den OEMs geht die Show weiter und der
kleine Zulieferer hat keine Chance.
Kommen wir zu einem weiteren
Reizthema, die Fachkräftesituation.
Sie haben beklagt, dass die beiden
Großen, also Opel und MDC, den klei-
nen Firmen die Mitarbeiter abjagen.
Was raten Sie Ihren Mitgliedsunter-
nehmen im Kampf um die besten
Fachkräfte?
Zunächst lassen Sie mich eines festhal-
ten: Ein Teil unseres markwirtschaftli-
chen Systems ist die freie Wahl des
Arbeitgebers. Dies ist völlig normal. Ob
es aus Sicht von Opel geschickt ist,
telstandes unter diesen Bedingungen. Wir Zulieferer
sind permanent Kostensteigerungen ausgesetzt, die
wir selbst gar nicht zu verantworten haben und den-
noch aufgefangen werden müssen, obwohl sie bei ei-
ner Vertragslaufzeit von fünf Jahren gar nicht bekannt
waren. Nehmen wir Lohnkostensteigerungen, die zwi-
schen OEMs und den Gewerkschaften ausgehandelt
werden und die wir ungefragt in der Fläche überneh-
men müssen. Wo und wie unterstützten die Gewerk-
schaften die Interessen der Zulieferindustrie?
Man sagt ja immer, dass Einigkeit stark macht. Aber
allzu viele Absprachen der AT-Mitglieder unterei-
nander würden das Kartellamt auf den Plan rufen.
Was kann und will der AT in der Auseinanderset-
zung mit den OEMs tun?
Hier möchte ich den Gedanken von Preisabsprachen
gar nicht erst aufkommen lassen. Die Mitglieder des
AT haben gemeinsame Interessen zu artikulieren, ge-
ben untereinander Know-how weiter im Umgang mit
den OEMs und in Rechtsfragen. Wir sind aber immer
auch Wettbewerber um die Aufträge der Zukunft. Es
ist allerdings richtig, dass wir in Thüringen gegen gro-
ße Zulieferer im Wettbewerb stehen, die solche
Preisabsprachen einsetzen, um sich so einen Vorteil
zu verschaffen. Ich kenne kein Unternehmen des AT,
das mal schnell 300 Millionen Euro Strafe an das
Kartellamt abführt, wie Schäffler oder Etscha mit 68
Millionen Euro in diesen Tagen. Webasto hat geplau-
dert und wird somit von einer Strafe verschont, die
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